Baldur Bertling:

Masterplan Grundschule

Ich berichte von einem Informationsgespräch zum Thema Masterplan Grundschule am 27.11.18 im MSB.
Eingeladen waren GEW, VBE, Landeselternschaft Grundschule, Schulleiter Gemeinschaft und der GSV.

Für diesen Bericht konnte ich nur meine handschriftlichen Notizen auswerten, da für die-ses Gespräch seitens des Ministeriums keine schriftlichen Unterlagen bereitgestellt wur-den. Am Ende der Veranstaltung habe ich ausdrücklich darum gebeten, dass bei einer weiteren angekündigten Gesprächsrunde mindestens ein Kurzkonzept aus dem Ministe-rium vorliegt, an dem entlang diskutiert werden kann. Zustimmung wurde signalisiert.

In seinem einleitenden Vortrag stellte Staatssekretär Richter den Stand der Überlegun-gen dar.
Es war dem Staatssekretär wichtig, zu erklären, dass dieses Gespräch als Beteiligung der betroffenen Verbände nicht das Ende sondern eher einen wichtigen Schritt des Prozes-ses darstellt, in dem das Ministerium die Vorgaben des Koalitionsvertrages im Dialog mit den Betroffenen zu einem Ergebnis bringen möchte, das auch deren Hinweise berücksichtigt.

Es hätte im Oktober eine Hausklausur gegeben, bei der auch einige Entscheidungen er-folgt seien.

Der Masterplan in seinen Grundzügen gehe vom Leitbild einer Grundschule aus, die „Leistungsstark – vielfältig – sozial“ sei.
Das würde an sechs Handlungsfeldern konkret gemacht.

1. Lehrkräfte unterstützen – Qualität sichern
2. Übergänge gelingend gestalten
3. Ganztagsbildung
4. Zusätzliches Personal gewinnen
5. Sächliche Rahmenbedingungen
6. Gemeinsam Lernen – wohnortnah

Im Verlaufe der Diskussion akzeptierte der Staatssekretär ein siebtes Handlungsfeld, das im Masterplan konkretisiert werden müsse:

7. Entlastung der Lehrkräfte

Wenn ich nun im Folgenden die Handlungsfelder beschreibe, ergänze ich die einleiten-den Ausführungen des Staatssekretärs und seiner Mitarbeiter mit den Hinweisen aus der Diskussion. Dabei soll auch meine Einschätzung dieser Veranstaltung deutlich werden, dass es sich tatsächlich um ein Beratungsgespräch handelte, bei dem alle Beteiligten sehr ernsthaft – aber auch mit gewisser humorvoller Distanz – in gegenseitiger Wert-schätzung die aktuellen Probleme der Grundschule und Möglichkeiten ihrer Überwin-dung benannt haben. Dieser Dialog soll – so alle Beteiligten –weitergeführt werden, wo-bei alle wissen, dass nicht viel Zeit bleibt für ausufernde Diskussionen. Auch wenn Grundschule immer noch die anerkannteste und erfolgreichste aller Schulformen und Schulstufen ist, machen die ausstehenden Lösungen für die aktuellen Probleme es er-forderlich, mit dem großen Wort von einem notwendigen Masterplan die Öffentlichkeit wachzurütteln und die erforderlichen Finanzen bei den Parlamentariern kurzfristig locker zu machen.

Handlungsfeld 1:
Lehrkräfte unterstützen – Qualität sichern
Mit Blick auf die Ergebnisse der jüngsten Studien des IQB braucht Grundschule eine fachliche Offensive in Mathematik, Deutsch und Sachunterricht, die sich auf wesentliche Inhalte konzentriert. In diesem Sinne sind die Lehrpläne zu überarbeiten und gleichzeitig eine Fortbildungsinitiative zu starten, die auch die Herausforderungen der Digitalisierung berücksichtigt. Auch wenn „Erstleseunterricht“ und „Rechtschreibung“ in den Augen der Medien hohes Gewicht haben, dürfen diese Themen die Überarbeitung des Lehrplans nicht dominieren.
Fest verabredet ist im Ministerium, den Englischunterricht erst in Klasse drei beginnen zu lassen, dann aber mit drei Wochenstunden, sodass der Umfang des Englischunterrichts in der Grundschule nahezu unverändert bleibt. Die gewonnenen Stunden in der Eingangsstufe sollen dem Bereich Sprache und Mathematik zugeschlagen werden. Woher die eine zusätzliche Stunde dann in Klasse drei und vier gewonnen wird, ist noch nicht vollends klar. Angedacht ist der Bereich Förderunterricht. Unstrittig ist, dass eine Aus-weitung der Stundentafel unzumutbar wäre.
Mit Blick auf die aktuelle, durch die Umstellung von G8 auf G9 anstehende Lehrplanarbeit der Sekundarstufe soll besonders darauf geachtet werden, dass die Beeinflussung nicht von oben nach unten erfolgt. Das Ministerium stimmte Überlegungen zu, dass in den Lehrplankommissionen der Sekundarstufe Grundschulleute beteiligt werden, und ebenso in den Lehrplankommissionen der Grundschule auch Menschen aus der Sekun-darstufe dabei sind.
Im Blick auf die Leistungsbewertung sind aktuell keine Änderungen geplant. Die zen-surenfreie Rückmeldung in Klasse 1 und 2 hat sich bewährt und auch die Schulen, die nach Beratung und Beschluss der Schulkonferenz in Klasse 3 leistungsbezogene Rück-meldungen ohne Ziffernnoten geben, sollen dieses weiterhin praktizieren dürfen – so jedenfalls auf Nachfrage der Stand der Überlegungen im Ministerium.

Handlungsfeld 2
Übergänge gelingend gestalten
Das betrifft Anfang und Ende der Grundschulzeit. Das Ministerium beabsichtigt, für die Erfassung der Lernausgangslage vor der Einschulung Material entwickeln zu lassen, das von den Schulen benutzt werden kann, aber nicht muss.
Die Zurückstellung vom Schulbesuch soll nicht allein von einem Gutachten des Amtsarztes abhängen. Eltern, die dieses beantragen, sollen vor der endgültigen Entscheidung durch die Schulleitung auch andere Gutachten beibringen können, die auch berücksich-tigt werden müssen/dürfen.
Da jahrgangsübergreifendes Lernen in der Eingangsstufe kein Standard in NRW ist (die Erlasse zur Wiederholung des ersten Schuljahres aber nur vor dem Hintergrund des JüL vernünftig erscheinen), soll auch die Wiederholung eines Teiles der Eingangsstufe nicht erst am Ende von Klasse 2 möglich sein, allerdings nur auf Antrag der Erziehungsberechtigten.
In der Diskussion über den Übergang nach der Grundschule zeigte sich einerseits, dass von Seiten des Gymnasiums eine höhere Verbindlichkeit erwünscht ist, dass seitens des Ministeriums aber keine Veränderungen am bestehenden Verfahren geplant sind. Es soll so bleiben: Gutachten sowie intensive Beratung durch die Grundschule und freie Entscheidung der Eltern, ohne dass die Aufnahme eines Kindes mit Verweis auf das Grund-schulgutachten verweigert werden kann.

Handlungsfeld 3
Ganztägige Bildung
Bisher sind auch dank der hohen finanziellen Mittel ca. 49% der Grundschulkinder in Maßnahmen des offenen Ganztages. Das ist aber noch weit entfernt von dem Ziel, den bisher vermuteten Bedarf bei 70 – 75% der Kinder zu befriedigen. Welche zahlenmäßigen Auswirkungen der von der Bundesregierung angekündigte Rechtsanspruch der Grundschulkinder auf ganztägige Bildung haben wird, ist gegenwärtig nicht abzuschät-zen.
Es darf allerdings nicht nur bei der Zahlendiskussion bleiben. Einigkeit besteht darin, dass die Entwicklung der Qualität im Ganztag Vorrang haben muss und die Flexibilisie-rung der Betreuung genau dort ihre Grenzen hat. Die Qualität des Angebots würde durch mehr Beliebigkeit nachhaltig beschädigt.
Unstrittig ist auch, dass die Qualität des Angebots nur mit qualifiziertem Personal möglich ist. Das zu gewinnen ist aber ähnlich schwierig, wie Personal für die Schule im enge-ren Sinne zu finden.

Handlungsfeld 4
Zusätzliches Personal gewinnen
Schule – so der Staatssekretär – die leistungsfähig, vielfältig und sozial sein will, braucht neben den gut ausgebildeten Lehrkräften für die Grundschule auch mehr Stellen für so-zialpädagogische Fachkräfte und sichere Beschäftigungsverhältnisse für die Schulsozialarbeit.
In allen drei Bereichen aber ist es schwierig, ausgebildetes Personal zu finden.
Freie Planstellen sollen deshalb auch mit nur teilweise qualifizierten Bewerbern besetzt werden können. Diese „Seiteneinsteiger“, „Aushilfslehrer“, „Laienpädagogen“ müssen – so die Gesprächsrunde – aber dringend die notwendigen Qualifikationen erwerben. Die bisher angebotenen Maßnahmen reichen dazu nicht. Die Diskussion darüber, wie das geschehen kann, ist offen.
– In der Rolle eines pädagogischen Assistenten könnte diese Personengruppe be-rufsbegleitend qualifiziert werden und
– die Hochschulen könnten Veranstaltungen speziell für diese Personengruppe an-bieten und
– die ZfsL könnten an Ausbildung und Prüfung beteiligt werden.
Diese „Seiteneinsteiger“ müssen aber auch gleichmäßig im Lande verteilt werden. Seit das schulscharfe Bewerbungsverfahren es möglich macht, dass sich die Bewerber die Schulen aussuchen, gehen immer mehr Schulen in ländlichen Regionen und vor allem in großstädtischen Problem-Ballungsräumen leer aus, wenn freie Planstellen mit qualifi-zierten Bewerbern besetzt werden sollen. Hier wo eigentlich die besten Lehrkräfte ge-braucht werden, bleiben nur noch „Seiteneinsteiger“, „Aushilfslehrer“, „Laienpädagogen“ als Personal übrig.
In der Wahrnehmung des Problems besteht Einigkeit – in der Lösung reichen die Vor-schläge vom Aussetzen der schulscharfen Stellenbesetzung und landesweitem Listenverfahren bis zu mehr Anreizen in Form von Zulagen oder Stundenreduzierungen.
Ich habe mit Nachdruck für Aussetzung der schulscharfen Stellenbesetzung argumen-tiert und dabei Verständnis bei GEW und Widerspruch beim VBE erfahren. Die Blicke der Mitarbeiter des Ministeriums schienen mir eine gewisse Zustimmung zu signalisieren, aber auch entspanntes Abwarten auf das Ende der Debatte unter den Verbänden.
Dass das ganze Problem auch wesentlich mit der Besoldung zusammenhängt, wird deutlich durch die hohe Zahl an ausgebildeten SEK 2 Lehrkräften, die keine Beschäfti-gung finden. Ihnen anzubieten, sich für die Primarstufe nachträglich zu qualifizieren, wä-re aber nur nachhaltig, wenn endlich der Konflikt um die Eingangsbesoldung (Stichwort A 13Z für alle) beigelegt ist.
Damit wenigstens zukünftig grundständig ausgebildete Lehrkräfte für die Primarstufe zur Verfügung stehen, muss – so einhellige Meinung der Teilnehmer dieser Gesprächs-runde – die Landesregierung sehr schnell die Anzahl der angebotenen Studienplätze am absehbaren Bedarf orientieren. Das Ministerium machte geltend, dass bereits jetzt eine nennenswerte (aber von mir nicht notierte) Anzahl von Studienplätzen Primarstufe neu geschaffen wurde. Es wird dazu in kürzeren Abständen belastbare Bedarfsanalysen vorlegen.
Nur wenn das wirklich geschieht, d.h. wenn die Landesregierung alles tut, die Anzahl von Bewerbern für freie Planstellen durch Ausweitung der Kapazitäten der Universitäten und ZfsL zukünftig dem Bedarf anzupassen, werden die Grundschulen im Lande die Belas-tungen als vorübergehend einschätzen und ertragen können. (Siehe allerdings Hand-lungsfeld 7)

Handlungsfeld 5
Sächliche Rahmenbedingungen
Hier sind die entscheidenden Handlungsträger die Kommunen. Der Einfluss des Landes beschränkt sich auf Angebote zur Finanzierung eines pädagogischen Umbaus der bestehenden und pädagogischen Planung zukünftiger Schulgebäude sowie auf die Budgets für Lehr und Lernmittel.
Im Blick auf pädagogische Architektur kann das Land nur Vorgaben machen und finanzi-elle Unterstützung anbieten, die Kommunen als Schulträger sollen und müssen hier die Akteure bleiben.
Dass inzwischen die Mittel aus dem Förderprogramm „Gute Schule“ weitgehend angefordert sind, stimmt hoffnungsvoll.
Über eine Erhöhung des Etats für Lern- und Lehrmittel wird nachgedacht.

Handlungsfeld 6
Gemeinsames Lernen – wohnortnah
Bisher hat sich die Landesregierung nur um Regelungen für die Sekundarstufe gekümmert. Die dort angewendete Formel (25+3+1,5) müsste auf die Grundschule umgerechnet und übertragen werden, ohne dass sie als Hinweis auf tatsächliche Klassenbildung missverstanden wird.
Es ist auf jeden Fall nicht geplant, analog zur SEK 1 Schulen des gemeinsamen Lernens gesondert auszuweisen. Es soll dabei bleiben, dass in der Primarstufe diese Aufgabe als Aufgabe aller Schulen verstanden wird. Ob dabei Kindern, bei denen gemeinsames Lernen besondere bauliche, materielle und personelle Ausstattung erforderlich macht, der Besuch von dafür entsprechend ausgestatten „Schwerpunkt“-Schulen nahegelegt, emp-fohlen, ermöglicht wird – das ist noch in der Diskussion.
In der Diskussion ist auch, wie und wann der sonderpädagogische Förderbedarf formell festgestellt wird, wenn nicht bereits in den vorschulischen Einrichtungen entsprechende Festlegungen erfolgt sind.

Handlungsfeld 7
Entlastung des Personals
Dieses Handlungsfeld wurde vom Staatssekretär spontan – mit signalisierter Zustim-mung seiner Mitarbeiter – in den „Masterplan“ aufgenommen. Teilnehmer der Gesprächs-runde hatten Belastungen durch QuA und VERA angeführt, aber auch an die vielfältigen neuen Aufgaben der Lehrkräfte erinnert, die sich hinter den Stichwörtern „Bürokratie“, „Inklusion“, „Integration“, „Ganztag“ „Multiprofessionelles Team“ sowie den allgemein gestiegenen Anforderungen an Erziehung und Beratung ergeben und für die die einzel-ne Schule, anders als die Schulen der Sekundarstufe, kaum Möglichkeiten des Aus-gleichs durch Anrechnungsstunden hat.

FAZIT
Das offene Gespräch in diesem Kreise soll fortgesetzt werden damit – so der Staatssekretär – der Masterplan Grundschule nicht als „ besserwisserischen Maßnahmenpaket der obersten Bildungsbehörde“ daherkommt.

Wir dürfen gespannt bleiben.

 

Baldur Bertling, 1.12.18

Download als PDF

Masterplan Grundschule

Schreibe einen Kommentar