Derzeit schreiben wieder viele Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer Zeugnisse für ihre Kinder und bemühen sich, wirklich kindorientierte, ermutigende Lernentwicklungsberichte zu schreiben, die auch Grundlage für beratende Gespräche mit den Eltern und Kindern sein sollen. Dabei gibt es kaum noch eine aktive Lehrkraft, die sich daran erinnert, dass auch an Grundschulen die Zeugnisse einmal anders waren.

Inzwischen ist es nämlich 40 Jahre her, dass im Jahre 1977 in Nordrhein-Westfalen mit dem Erlass zur zensurenfreien Leistungsbewertung in Klasse eins und zwei der Blick von der bloßen Lernstandsmessung auf die Lernentwicklung gelenkt wurde. DER SPIEGEL berichte damals sehr positiv über dieser Entwicklung. (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40781831.html) Eine des treibenden Kräfte war damals der Grundschulverband.

Die Entscheidung für zensurenfreie Leistungsbewertung trug der Erkenntnis Rechnung, dass individuelle Lernfortschritte mit Zensuren einfach nicht zu beschreiben sind. Seitdem gibt es in den Grundschulen Zeugnisse mit Lernentwicklungsberichten und – je nach Beschluss der jeweiligen Schulkonferenz – Noten ab Klasse 3 oder 4. Immer noch werden dennoch die Aussagen der Zeugnisse gelegentlich übersetzt in „gut“ und „schlecht“ oder sogar hier und da in klassische Schulnoten umgerechnet. Dabei besteht unter den meisten Lehrkräften der Grundschulen Einigkeit darüber, dass die heute üblichen Lernentwicklungsberichte den Kindern und deren Eltern Rückmeldungen darüber geben, wie weit das einzelne Kind auf seinem persönlichen Lernweg gekommen ist, um Mut zu machen für die nächsten Etappen.

Dabei sind die Worte „gut“ und „schlecht“ genauso unpassend, wie Ziffernnoten. Diese nämlich spiegeln persönliche Fortschritte und Anstrengungen des einzelnen Kindes nicht wider. Ein Kind, das z.B. in Mathe immer eine drei auf dem Zeugnis bekommt, obwohl seine Eltern es auffordern, sich endlich zu verbessern – hat das eigentlich nichts dazu gelernt?
Oder ein Kind, das z.B. in Englisch immer eine vier bekommt, weil es die neuen Inhalte nur schwer behalten kann und deshalb täglich unermüdlich üben muss – hat es sich eigentlich weniger angestrengt, als das Kind, dem alles nur so zufliegt? Der Grundschulverband hat sich seit seiner Gründung im Jahre 1969 dafür eingesetzt, dass Kinder im Lernprozess ermutigende Rückmeldungen erhalten und nicht mit bloßen Ziffern abgespeist werden.
Wenn hier und da Eltern angesichts der zensurenfreien Lernentwicklungsberichte im Beratungsgespräch fragen, was das denn jetzt übersetzt in Noten bedeutet, zeigt sich, dass diese Wende der Sichtweisen in der Gesellschaft noch nicht überall angekommen ist.
„Zu wünschen wäre, dass Eltern angesichts der Zeugnisse mit Ziffernnoten im Beratungsgespräch auch über die Grundschule hinaus nachfragen, welcher Lernfortschritt und welche Anstrengungen sich hinter den einzelnen Noten verbirgt, denn eine inhaltliche Rückmeldung könnte auch dort der ermutigenden Erziehung dienen, wo Zeugnisse nur aus Noten bestehen“, meint Baldur Bertling, Sprecher der Landesgruppe NRW des Grundschulverbandes.

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